Die genaue Betrachtung des Menschen ohne Sinneswahrnehmung Ibn Qayyim al-Jawziyyah
Im Namen Allāhs, des Allerbarmers, des Barmherzigen.
Betrachte den Fall des Menschen, dem das Sehvermögen entnommen wurde. Bedenke, wie ernst sein Trauerfall ist. Er sieht nicht, wo er seinen Schritt hinmachen soll, sieht nicht, was vor ihm ist, unterscheidet keine Farben, angenehme und unangenehme Anblicke. Er profitiert nicht von der Lehrsamkeit der Bücher. Er ist nicht in der Lage, den Wundern der Schöpfung Allāhs nachzusinnen und diese zu betrachten. Er kann nicht viel von dem bemerken, was für ihn vorteilhaft oder schädlich ist. Er ist nicht in der Lage, zu vermeiden, in ein Loch auf seinem Weg zu fallen, noch sich vor einem wilden Tier zu schützen, oder einem Feind, der beabsichtigt ihn anzugreifen und ihn zu töten. Er kann nicht fliehen, wenn er angegriffen wird, sondern muss die Gnade seines Gegners abwarten.
Wäre es nicht aufgrund der besonderen Fürsorge Allahs, würde derjenige, dem ein ähnlicher Zustand wie dem Neugeborenen (Unfähigkeit, Bedürftigkeit usw. ) gegeben wurde, viel eher sterben als überleben. Es scheint so, als wäre er nur eine Masse aus Fleisch und Knochen, und das ist der Grund dafür, warum Allāh ihm verspricht, dass wenn er sich Ihm ergeben wird und geduldig bleibt, ihn mit dem Paradies zu belohnen.
Es ist eine Veranschaulichung der Unermesslichkeit der Güte des Herrn, dass Er die Vision eines Blinden mit einer geistigen Vision ausgleicht, sodass man erkennen kann, dass er jener sein wird, der schärfere Intuition und Einsicht hat. Eine andere Gnade ist, dass er die Klarheit des Objektiven genießt, sodass er nicht abgelenkt oder zerstreut ist. Auf diese Weise kann er sein Leben genießen und sich um das kümmern, was gut für ihn ist und ist nicht deprimiert, empört oder frustriert.
Dies ist wahr für jene, die blind geboren wurden. Während derjenige, der sein Sehvermögen später verloren hat, nachdem er sehend war, wie all jene ist, die einst Katastrophen erlebt haben, die von einem Zustand des Wohlbefindens zu einem des Leidens übergegangen sind. Er hat es nicht auf die leichte Schulter genommen, weil er das, was er einst immer an Sehenswürdigkeiten genossen hat, Szenen und Möglichkeiten der Nutzung seiner Vision, nun versperrt wurden. Somit ist sein Fall anders.
Genauso vermisst eine Person, der das Hören genommen wurde, die Fähigkeit der Kommunikation und des Sprechens und vermisst folglich den Gedankenaustausch und die angenehme Erfahrung von melodischen Tönen. Die Menschen werden widerwillig sein, mit ihm kommunizieren zu wollen und werden über seine Anwesenheit Genervtheit ausdrücken. Er wird von den Nachrichten und Konversationen der Menschen abgeschnitten sein. Er ist anwesend, aber nicht wirklich anwesend; lebendig, aber für ihn ist es wie das lebendige Todsein; in der Nähe, jedoch ganz weit entfernt.
Es gab viele Diskussionen darüber, wer weniger beraubt wurde und wer normaler ist: eine blinde Person oder ein Taubstummer. Es gab viele Vertreter von beiden Ansichten, und beide Parteien haben mehrere Punkte zitiert. Diese Debatte bezieht sich jedoch auf eine grundlegende Angelegenheit: Welche der beiden Sinne ist wertvoller, das Hören oder das Sehen?
Ich habe die Einzelheiten dieser Debatte oben erwähnt [d.h. In einem früheren Teil des Buches], und ich habe dort die Argumente der verschiedenen Parteien und ihre Beweise aufgeführt und die Wahrheit über die Angelegenheit erörtert.
Wir können hier kurz sagen, dass der Verlust des Sinnes, der grundlegender für die Rechtschaffenheit ist, gravierender wird. Und wir können hinzufügen, dass für eine nichtsehende Person der Verlust ernster ist, aber dafür geringer in religiösen Angelegenheiten, und sein Ausgang wird besser sein. Für die taube Person hingegen ist der Verlust in weltlichen Dingen geringer, aber ihm entgehen mehr der religiösen Sinne, und daher wird sein Ausgang schlechter sein. Seine Taubheit wird ihn von all den Predigten und Ermahnungen ausschließen bspw. abhalten, und sein Weg zu nützlichen Wissenschaften ist blockiert, während der Weg für verlockende Wünsche offen ist, die sichtbar sind, während er nicht genug Wissen hat, um sich davon abzuhalten und darin verwickelt zu werden. Daher ist sein religiöser Nachteil größer, während der Blinde einen größeren Nachteil in den weltlichen Angelegenheiten hat.
Man kann in diesem Zusammenhang feststellen, dass es unter den Gefährten des Propheten (Frieden und Segen auf ihm) keinen Taubstummen gab, während es eine Anzahl von blinden Gefährten gab. Es ist selten, dass Allāh Seine Diener mit Taubheit testet, während Er viele mit Blindheit testen kann. Dies ist dann die entscheidende Aussage bezüglich dieser Angelegenheit: dass der Verlust des Taubstummen religiös ist und der Verlust des Blinden weltlich ist. Es ist ein wahrer Segen, wenn man von beiden Nachteilen verschont bleibt und den Gebrauch, sowohl des Hörens als auch des Sehens, genießt und sie bis zum Ende seines Lebens intakt bleiben.
Quelle: Der Mensch und das Universum - Reflexionen von Ibn Qayyim al-Jawziyyah